- Performer Name:
- Sgricci
- Performance Venue:
- Paris
- Performance Date:
- 1824
- Author:
- Date Written:
- 1824
- Language:
- German
- Publication Title:
- Morgenblatt für gebildete Stände
- Article Title:
- Herrn Sgricci’s Erscheinung in Paris
- Page Numbers:
- 321-23; 325-27
- Additional Info:
- 3 & 5 March 1824 issues (Nos. 81 & 82)
- Publisher:
- J. G. Cotta’sche Buchhandlung
- Place of Publication:
- Stuttgart
- Date Published:
- 1824
Text:
[321] Herrn Sgricci’s Erscheinung in Paris.
Der, schon aus italienischen Korrespondenzen dem deutschen Publikum bekannt gewordene, Improvisator, Herr Sgricci, hat durch seine, wirklich höchst bewunderungswürdige, Fähigkeit, indem er ganze Trauerspiele aus dem Stegreif deklamirt, die gebildete und belletristische Welt von Paris in Erstaunen gesezt. Die Versammlung, von mehr wie 1300 Zuhörern, war um so feyerlicher, da der seltene Dichter sich eine Kommission sachverständiger Beurtheiler ausgebeten hatte. Frankreichs talentvollste, jezt lebende, Dichter befanden sich unter ihnen, wie die Namen: Renouyard, Lemercier, Ancelot, Casimir Delavigne, Soumet, Guiraud, Pichat, Lebrun, Brisaut und Talma beweisen. Die Erzählung des Hergangs dieser Kunstfeyer wird von unsern Lesern mit Theilnahme ausgenommen werden.
An zwey Seiten der Bühne des Conservatoriums, wo sich die Versammlung einfand, stand ein Tisch, und auf einem derselben eine krystallne Urne, zu der Aufnahme der Zettel bestimmt, auf welchen die Anwesenden befugt waren, Gegenstände für die zu hoffende Improvisation anzudeuten. Die Urne war beym Eintritt der ernannten Kommission fast angefüllt; Talma kündigte an, diese werde aus diesen Zetteln die Auswahl solcher, dem poetischen Zweck entsprechender, Gegenstände machen. Der Vorschlag ward von der Versammlung einstimmig mit Beyfall aufgenommen, und die Kommissarien nahten sich der Urne, das Geschäft zu beginnen.
Folgende Gegenstände wurden von der Menge ausgeschieden: Agrippinens Tod, Tiber, Hannon, Iephtas Gelübte, Iesabel, Sokrates, Absalon, Seneka, Camillus, Ananias und Saphira, Stilicons Tod, Lukretiens Tod, Baleazar, Richard III, Hero und Leander, Neros Tod, Pisani, der, um Venedig zu retten, aus dem Gefängniß befreyt wird, und Bianca Capello. Talma las diese Zettel ab, und man konnte an dem mehr oder weniger lauten Gemurmel der Versammlung die verschiedenen Stufen des Beyfalls, den ein oder der andere erhielt, abnehmen. In Folge desselben ward Absalon, Hero und Leander, und Baleazar beseitigt. Nach diesem sammelte der Älteste der Kommission diese Zettel, legte sie auf´s Neue in die Urne, und Talma reichte diese — da die ganze Versammlung darauf bestand, daß die Ziehung einer Dame aufgetragen werden müßte — einem jungen Frauenzimmer der vordern Reihe. Sie zog den Tod des Stilikon; da aber Corneille diesen Gegenstand behandelt hat, schien die Wahl nicht glücklich; eine andere junge Person zog zum Zweytenmale, und das Loos brachte Bianca Capello an den Tag.
Man hatte Herrn Sgricci, der in einem Nebenzimmer wartete, vorlaut von der Ziehung Stilicons benachrichtigt, und obgleich ihm der Vorwurf nicht sehr günstig schien, hatte er ihn doch augenblicklich erfasst; wie er aber erfuhr, daß sich die Wahl für Bianca Capello entschieden, [322] bezeigte er die lebhafteste Freude. "Ah, da befinde ich mich in meiner Heimath!" rief er, und die Umstehenden konnten nun gleichsam die Arbeit seines Geistes wahrnehmen. Stilicon war schon zum größten Theil in seinem Kopfe geschaffen, er ließ ungern von ihm ab, der Vorzug, den er dem neuen Gegenstande gab, begeisterte ihn aber von Neuem. In diesem Augenblick wurde er von heftigen Nervenzuckungen, die ihn selbst zu erschrecken schienen, befallen; er bemeisterte sie aber, und trat mit festem Schritt in die Versammlung. Seine französische Anrede war eben so anständig, als verbindlich, und von ihr ging er zu der Darstellung seines Gegenstandes, wie die Geschichte ihn überliefert, über; dann zeigte er, wie er ihn zu seinem Trauerspiel benutzen würde. Diese Exposition, und die Eintheilung der handelnden Personen, offenbarte schon den Dichter, und erregte den lautesten Beyfall.
Bianca Capello, eine edle Venetianerin des sechszehnten Jahrhunderts, von außerordentlicher Schönheit, ward von Bonaventuri, einem jungen Florentiner, entführt, und folge ihm über die Felsenwege der Apenninen nach Florenz. Dort zog sie bald die Blicke des Großherzogs, Franz von Medicis, auf sich, er beförderte Bonaventuri zu einem ansehnlichen Amte, das dieser aber, da er bald durch Mörderhände fiel, nicht lange bekleidete. Bianca´s Feinde beschuldigten sie, der Herzog habe, mit ihr einverstanden, diesen Mord bewirkt, um das Hinderniß ihrer Liebe zu beseitigen. Wie dem auch seyn mag — Bianca heirathete kurze Zeit darauf den Herzog. Die Geschichte sagt, daß Bianca und ihr Gemahl, bey einem in dem Landhause der Medicis, Poggio in Cajano, gegebenen Feste vergiftet wurden; sie fügt hinzu, Ferdinand, des Großherzogs Bruder, hätte Niemand in das Zimmer gelassen, in welchem die beyden Unglücklichen mit dem Tode rangen. Der Großherzog war mit großem Pomp begraben, Bianca wie eine Missethäterin, auf einer Tragbahre nach Florenz gebracht. Es finden zweyerley Meinungen über Bianca Capello, welche Ferdinand in mehrern gerichtlichen Schriften "die abscheuliche Bianca" nennt, statt. Die eine beschuldigt Ferdinand eines großen Verbrechens, die andere klagt Bianca an, mit eigenen Händen den für Ferdinand bestimmten Kuchen bereitet zu haben, den aber dieser, dem ihre Rachsucht wegen seiner Mißbilligung ihrer Heirath mit dem Großherzog bekannt war, zu speisen verweigerte. Der Großherzog, der von dieser Gehässigkeit nichts wußte, genoß, um seinem Bruder den Ungrund des Verdachts darzuthun, von dem Kuchen, und Bianca, welche es gewahr nahm, aus Verzweiflung auch ihren Theil davon. Bianca’s Feinde haben dieselbe der Zauberey beschuldigt, vermöge der sie sich der Liebe des Großherzogs versichert hätte; sie verbreiteten das Gerücht, wie man ihr Zimmer, das nach ihrem Tode geöffnet wurde, mit Zauberwerkzeugen angefüllt gefunden hätte.
Nachdem Herr Sgricci solchergestalt Bianca’s Geschichte erzählt hatte, zählte er die handelnden Personen seines Trauerspiels auf.
Erster Aufzug. Laura, Ferdinands Geliebte, aus einer vornehmen Florentiner Familie, erscheint auf der Scene, und fürchtet, daß der Glanz Roms ihr Andenken bey ihrem Geliebten schwächen möge: sie bittet die Blumen, sich zu Kränzen für ihn zu entfalten, den Mond, daß er seinen Schritten seine holdesten Strahlen verleihe. Sie hat im Traum einen Jüngling gesehen, der ihr eine Krone darbot, und ist erschrocken erwacht. In diesem Augenblick sieht sie Ulrike, Biancas Vertraute, sich nahen, und entfernt sich. Bianca tritt in großer Bewegung auf, sie verlangt von Ulrike, ihr das Schicksal ihrer Liebe, vermöge der Befragung höllischer Gewalten, zu offenbaren. Ulrike beschwört diese, sie antworten aber nicht; sie verdoppelt ihre Beschwörungen, die magischen Kreise — und der Mond erblaßt; endlich meldet sie Bianca, daß die Unterirdischen zu reden bereit wären; sie solle nicht erschrecken.
Ulrica.
Non spaventarti, o Donna!
Bianca.
Jo spaventarmi?
Non spaventomi la fuga, ne il bando:
Non spaventomi il congiurato modo
Ai Danni mei, ne l’onta, ne la morte,
Ne il diletto spaventami. Or da vane
Larve, sarei compresa, e vani sogni,
Saria da tanto da farmi terrore?...
Va prosequi: io non tremo.
(Ulrike. Erschreck’ dich nicht, Herrin!
Bianca: Ich mich erschrecken? Flucht, Verbannung, die ganze gegen mich verschworne Welt, Scham, Tod, selbst das Verbrechen erschrecken mich nicht. Sollte ich eitle Schatten fürchten, wesenlose Träume? Fahre fort! Ich zittere nicht.)
Der erste Geist, welcher, von Ulrike berufen, erscheint, ist en grüngekleidetes Weib mit einer Blume in der Hand. "Sieh, die Hoffnung!" sagt Ulrike. "Nicht die Hoffnung! Ich verlange die Gewißheit!" ruft Bianca, und voll von ihrer Liebe für Ferdinand, sagt sie, von dem Großherzog mit Verachtung sprechend, nur er sey des Thrones würdig: "Re che non sa voler, merta ogni spreggio (Der Fürst, der nicht zu wollen vermag, verdient Verachtung)!" Der Hoffnung folgt eine Furie, welche Bianca einen Becher reicht, mit dem Zuruf: "Hoffe nicht Liebe, hoffe nur Rache!" — In dieser Erscheinung liegt ein doppelter Sinn, den der Dichter zur Entwicklung des Drama benutzt; Ulrike und Bianca können glauben, daß ihr Verbrechen, wenigstens zum Theil, gelingen kann. Bianca zürnt über die Hölle und ruft, wie Juno im Vergil: "Gut, so sey es nicht die Hölle, sondern meine Schönheit, [323] die da siege! (flectere si nequero superos Acheronta movebo)!" Nachdem Ulrikens Beschwörungen beendigt sind, fordert Bianca Musik, um sich zu erholen. Der Dichter hatte hier eine Hymne an den Frühling, vom höchsten Wohllaut, angebracht.
(Der Beschluß folgt.)
[…]
[325] Herrn Sgricci´s Erscheinung in Paris (Beschluß)
Zweyter Aufzug: Der Großherzog von Toskana tritt mit Enrico, seinem Sekretär auf. Das Volk scheint sich allgemein Ferdinand zuzuwenden, und Enrico erzählt, welchen herrlichen Empfang ihm der Senat und die Geistlichkeit bereitet. Der Großherzog sinnt auf Mittel, die Volksgunst, welche sein Bruder genießt, zu zerstören: Enrico bemerkt, daß dieses ihm, so lange Ferdinand lebt, nicht gelingen könne. "Was wagst du mir vorzuschlagen? Ruft Franz. Ich, der Vater und das Haupt [326] des Volkes; ich, der auf dem Thron ihr Thun zu richten berufen bin, könnte ich in mein Inneres blicken, wenn tyrannische Reue dort wüthete? Von meines Bruders Blut befleckt, dürfte ich das Blut der Unschuld rächen? Geh’, Ungeheuer! Höre auf, mich zu belästigen! Lieber möge meine Macht untergehen, als daß ihr Glanz von dem Gedanken des Verbrechens betrübt werde. Ach, könnte ich mein vergangenes Leben zurückrufen, könnte ich einen Augenblick daraus vertilgen, dessen Andenken mich tyrannisch quält und mir keinen Frieden läßt!"…
(Jo die popoli padre e duce, e Sire
Jo Giudice potrei scendermi in core
Se il rimorso tiranno in cor mistesso
Machiato, ahimè, d’un caro sangue,
Potrei degli altri vendicar…va cessa
Demone assediator; pera piattosto
Il trono, e la grandezza, anzi chesia
Il suo splendour contaminato, et guato
Da un pensier di misfatto…oh! Sie potessi
Tornarmi indieto nella vita, o un solo
Un sol instante cancellar dal mio pensiero
Che tiranno vi sieda, e non dá pace.)
Wie der Herzog allein ist, überfällt ihn die Reue; Bonaventura’s Bild, wie ein Mörder ihn trifft und er ihn um Hilfe anruft, steigt in ihm auf. Bianca erscheint, findet ihren Gemahl von Schmerz überwältigt, will wissen, ob er irgend gefährliche Anschläge wider Ferdinand im Sinn hat, und zeigt ihm einen Schleyer mit den Worten, daß sie seit drey Nächten an ihm sticke, um damit ihre Thränen zu trocknen (?!). "Wie kannst du, sagt sie, etwas fürchten, da du jetzt in deinem Bruder eine Stütze hast? Hörst du die Freudengesänge? Man hat dir gesagt, das Volk liege zu seinen Füßen; allein erfuhrst du auch, was er zu dem Volke sprach? Ich bin nur meines Bruders getreuer Unterthan! sagte er." — Der Großherzog ruft: "Ich will meinen Bruder nicht fürchten!" In diesem Augenblick tritt dieser mit einem Haufen von Priestern auf, welche Hymnen auf Ferdinands Rückkehr singen, und der Herzog empfängt ihn in seine Arme.
Dritter Aufzug: Bianca, Ferdinand und der Herzog treten auf. Ferdinand spricht von seinen Wünschen für seines Bruders Ruhm, von seinem Verlangen, daß ihm ein Thronerbe geschenkt werde, und überreicht Bianca ein von dem Papst geweihtes Kreuz, das den Segen der Fruchtbarkeit mittheilen soll. Bianca glaubt in diesem Geschenk ein Zeichen von Ferdinands Neigung zu sehen. Ferdinand bleibt allein, in der Hoffnung, in diesem Säulengange, wie schon oft geschah, Laura zu begegnen. Sie kommt auch; Ferdinand unterhält sie von seiner Liebe, sie bezeigt ihm nur ihre Besorgnisse wegen Ulrike und Bianca, deren Zaubereyen sie fürchtet. Nach Laura tritt Ulrike auf und meldet Ferdinand, daß Bianca sich nach Sonnenuntergang einstellen werde. Junge Knaben und Mädchen, von Bianca gesendet, unterhalten Ferdinand mit Gesang.
Vierter Aufzug. Ferdinand hat einen Mann seiner Leibwache im Gebüsch verborgen (?), und Bianca erscheint gleich darauf. Hier beginnt eine der Scenen, welche den lebhaftesten Enthusiasmus erregte. Bianca sagt:
Tu mi dispressi
Forso perche di Rè figlia nonso
Ma. D’un popolo Rè figlia mi vanto
Tremar gli imperi innanzi all’ atta Donna
Che sull Adria torregia. A mici grandi Ave
Sorente ella degnò chiamarsi sposa,
E le bande tremar sul capo altero
Dell’ empio Trace, allor che il grand Vessillo
Spiegò di Marco un Die Capello.
(Wie, du verachtest mich? Vielleicht weil ich keinen König unter meinen Ahnen zähle? Wisse, ich bin die Tochter eines königlichen Volkes! Wisse, daß alle Reiche bey dem Namen meines Vaterlandes zittern, daß es seinen Zepter über das adriatische Meer hinstreckt. Oft würdigte dieses, sich meiner ruhmwürdigen Ahnen Braut zu nennen, und man sah selbst die Krone des stolzen Thraciers auf seinem Haupte wanken, da ein Capello die Fahne des heiligen Markus entfaltete.)
Sie sezt hinzu, daß alles Große die Venetianer entflamme, und daß es ihnen vergönnt sey, die Grenzen dessen, was einem Helden gezieme, zu überschreiten (?). Sie warnt ihn vor Verrath an einem Ort, wo nur Freundschaft ihn empfangen sollte, und will ihn, nur unter dem Siegel des Schwurs, ein Geheimnis vertrauen. Ferdinand zögert, verspricht, und hört sie an. Bianca vertraut ihm, daß sein Bruder Murd gegen ihn aussinne, daß er seinen Tod auf seinem Nachtlager finden solle. Ferdinand mißt ihr seinen Glauben bey, und Biance zeigt ihm einen fälschlich geschriebenen Brief, den sie dem Herzog beymißt, und der den Befehl, ihn umzubringen, enthält. "Und warum, sagt Ferdinand, willst du groß durch ihn, Fürstin durch ihn, mich retten? Wirst du nicht in Staub hinsinken, sobald der Herzog nicht mehr ist?" — "Und wirst du, erwidert Bianca, mich im Staube lassen? Mir den Thron nicht wiedergeben?" — "O Verbrechen!" ruft Ferdinand; Bianca, welche ihn gegen seinen Bruder aufgebracht glaubt, entdeckt ihm ihre Liebe, und Ferdinand stößt sie zurück, flucht seiner Rückkehr nach Florenz, und überläßt sie ihren Racheanschlägen. Bianca ruft Ulrike herbey, sie will Ferdinand an Leib und Seele verderben: "Wenn er mir auf Erden entschlüpft, ruft sie, soll er mir doch in der Hölle nicht entkommen."
[327] Fünfter Aufzug. Laura eröffnet die Scene durch eine Hymne, die sie mit ihrer Harfe begleitet, und wie Achill, wenn er Brisens Unglück beweint, tröstet sie sich durch ihren Gesang. Ferdinand tritt zerstört auf; sie befragt ihn vergeblich um sein Geheimniß; der Schwur bindet ihn; indeß Laura ihn bittet, sich zu entfernen, hört man Geschrey; es ist Ulrike, die ein wildes Thier zerrissen hat (?!!); man trägt sie herein, und sie erzählt, daß des Ewigen Arm sie getroffen habe, um die Unschuld zu retten. Darauf theilt sie Ferdinand die von Bianca erhaltenen Befehle mit, und stirbt, von Laura’s mitleidsvollen Worten und Ferdinands Segenssprechung getröstet. Der Großherzog kehrt mit seinem Gefolge von der Jagd zurück; er freut sich, seinen Bruder anzutreffen, und ihn selbst in den Festsaal zu führen. Bianca erscheint, einen Becher in der Hand, im Hintergrunde der Bühne, und frägt ihren Gemahl, ob er aus diesem Becher getrunken? denn sie hatte erfahren, daß der Großherzog, von der Jagd zurückkehrend, in den Festsaal getreten war, und aus dem Giftbecher getrunken hatte. Sie leert ihn nun aus, und bald hört man furchtbare Verwünschungen gegen Ferdinand und seine Nachkommen, sie sagt: "Der Himmel ist ehern für mich, aber ich fürchte nicht die Hölle, meine Verbrechen werden den Fürsten der Finsterniß erzittern machen.
Jo furia vissi, e a spaventar l’inferno
Furia discendo ...
(Ich lebte wie eine Furie, und einer Furie gleich steige ich herab, die Hölle zu erschrecken.)
Der Großherzog bittet seinen Bruder, dieses furchtbare Schauspiel von ihm zu entfernen, und indem er ihm seine Hand reicht, strirbt er. Ferdinand ruft aus:
E piu no è! — Quel serto
Della sua morte fronte in sul mio capo
Posa, e un misfatto mi conduce al trono
Un misfatto no mio. Splendor ambito
Del disdema, che le menti umane
Tanto abberbagli, appaghi tu l’interno,
Desiderio, l’appaghi? E sei tanto,
Ch’altri per te d’egni piacer privato
D’ogni affeto si spogli ... Jo tra i delitti,
Jo tra &apost;l tombo in soglio oggi m’assido,
Ma puro è il cor, la dostra è pura, Oh Lunge!
Lunge il rimorse sia da me per sempre
Con esso il serto è tosco, il trono e morte.
(Er ist dahin! — Diese Krone geht auf mein Haupt über. Ein Verbrechen hebt mich auf den Thron, allein ich beging es nicht. O beneideter Glanz des Diadems, der du so viele Menschen verblendest, kannst du ihrem Verlangen genügen? Kannst du sie befriedigen? Bist du denn so kostbar, daß wir um deinetwillen allen Freuden der Freundschaft, allen sanften Regungen entsagen sollen? …. Ich besteige heute den Thron, von Verbrechen, von Gräbern umgeben; allein mein Herz ist rein, rein meine Hand. Fern bleine mir die Reue. — Ach, mit ihr ist das Diadem ein Gift, und der Thron wird zum Verderben!)
Dieses reiche hin, um Herrn Sgricci’s wunderbares Talent zu beweisen. Man bedenke, welchen Vorrath von Gedächtnißsätzen dasselbe voraus sezt, welche schnelle Empfänglichkeit und unvergleichliche Redegabe. Die Oberflächlichkeit der Erfindung, die Lockerheit des Zusammenhanges, die Aehnlichkeit der Situationen mit frühern Gedichten an dieser Blüthe des Augenblicks bemerkbar zu machen, wär’ eine Unbilligkeit. Die Arbeit des Geistes bey der Hervorbringung dieser glänzenden Blüthe ist unermeßlich! Der Dichter muß mit der Schenlle des Gedankens seinen Vorwurf ordnen, ihn innerhalb der Grenzen der drey Einheiten, die er nie verlezt, beschränken, er muß eine große Zahl Personen zugleich denken, sprechen, handeln lassen, Personen, die alle von heftigen, von widerstrebenden Leidenschaften aufgeregt sind — und dieses Alles muß in einem unausgesezten, reinen, edeln, milden Redeflusse geschehen. Ob die Dichtkunst durch diese bewundernswürdige Erscheinung gewinnt, wollen wir nicht untersuchen. Wir erfreuen uns des Augenblicks, der uns die überraschendste, unbegreiflichste Erscheinung darbietet. Das Nachdenken findet in ihr den Beweis, welcher unbegränzten Entwicklung gewisse Seelenkräfte fähig sind, und wie fehlerhaft unsere geistige Bildung ist, sie nicht bis zu einem, der übrigen Entwicklung angemessenen, Grade zu üben — denn dieselbe Fähigkeit, welche Herr Sgricci bis zu einer Fertigkeit ausbildete, welche den betrachtenden Zuhörer bis zur Furcht vor des talentvollen Mannes physischer Zerstörung spannen kann, müßte den Gesellschafter, den Bürger, den Staatsmann in Stand setzen, durch die Allmacht des Wortes in jedem gegebenen Falle mit Vortheil zu erscheinen.
Notes:
- Collected by:
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