Friederike Brun, Tagebuch über Rom

Brun relates that she witnessed a performance by Bandettini, noting that many of the subjects upon which she extemporized did not suit her femininity. Brun suggests that Bandettini would be much more pleasing were she more cultivated, and compares her to Anna Louisa Karsch, the “German Sappho.”

Performer Name:
Bandettini; Karsch
Performance Venue:
Rome
Performance Date:
1796
Author:
Brun, Friederike
Date Written:
1796
Language:
German
Publication Title:
Tagebuch über Rom
Article Title:
 
Page Numbers:
1:232-33
Additional Info:
 
Publisher:
Orell, Füssli & Co.
Place of Publication:
Zurich
Date Published:
1800

Text:

[232] Darauf sang die berühmte Improvisactrice Bandettini nach Sujets, die ihr auf der Stelle gegeben wurden. Diese interessante Frau ist aus Modena, und war ehedem Tänzerinn. Schon ihr Portrait von Angelika hatte mich angezogen. Sie hat ein herrliches feuervolles Auge, und einen flammenden, doch nie wilden Blick; ihre Stellungen sind schön, und sie öffnet den Mund wie eine Begeisterte. Die Sujets, welche ihr von den Grossen Roms gegeben wurden, waren theils abgedroschen, theils äusserst unpassend für eine Frau: Die Sündfluth, Apolls Streit mit Marsyas und die Operation, der Streit der Lapithen und Centauren, waren keinesweges zu sanften, zärtlichen und reitzenden Bildern begeisternd. In die Sündfluth brachte sie einige Idyllen-Episoden, und die Geburt Christi behandelte sie ganz als liebliche Pastorale. Ihr Begleiter spielt jedesmal eine von ihr angegebene Melodie, die sie, so wie ihr [233] Versmaass (das jedoch immer Stanze war) zweymal wechselte. Sie braucht häufig den Doppelschlag der Anapesten, welches ihren Gesang ungemein hebt und belebt. Ihre Stimme ist schwach und zitternd, wodurch mir viel entgieng. In der Unterhaltung ist sie herzlich, naif, aber ungebildet. Sie hat eine sehr zarte Gestalt, und muss recht schön gewesen seyn. Wie würde in einem andern Lande, und bey sorgfältiger Erziehung, dies genievolle Geschöpf zu einer Zierde ihres Geschlechts herangereift seyn! So dacht’ ich — als das Bild der einzigen deutschen Dichterinn, die den so freygebig augetheilten Beynamen der deutschen Sappho verdiente, der Feuer und Geist athmenden Karschinn, mir erschien, und trauernd fragte: ‘Wo ist das glückliche Land, in dem ein milder Genius die Blüthen des weiblichen Geistes pflegt? Blühen sie nicht überall ungepflegt und gleichsam verstohlen auf, kämpfend wider den Druck zweckloser oder widriger Erziehung und des überall wider sie gewafneten Vorurtheils’?

Notes:

Entry dated 24 January 1796.

Collected by:
EW