“Bemerkungen eines Deutschen über die Vergnügungen der Römer, mit besonderer Rücksicht auf das verflossene Karnaval”

A German author remarks on improvised performances he has witnessed in Italy, which included the performer Filippo Pistrucci, and suggests that improvisation is a waste of time: the performances are too lengthy, and the talents of the performers (when such talents are present) would be best used for smaller diversions.

Performer Name:
Pistrucci
Performance Venue:
Rome
Performance Date:
 
Author:
 
Date Written:
1809
Language:
German
Publication Title:
Morgenblatt für gebildete Stände
Article Title:
Bemerkungen eines Deutschen über die Vergnügungen der Römer, mit besonderer Rücksicht auf das verflossene Karnaval
Page Numbers:
719
Additional Info:
29 July 1809 issue (No. 180)
Publisher:
J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Place of Publication:
Stuttgart
Date Published:
1809

Text:

Es gibt hier außer der bekannten Arkadischen Gesellschaft mehrere Zusammenkünfte, wo die besten Improvisatoren sich einfinden, und die Gesellschaft mit Improvisos und Deklamationen aus den besten Dichtern zu unterhalten. Zu einer derselben, von welcher der in ganz Italien bekannte Improvisator Pistruzzi ein Mitglied ist, habe auch ich Zutritt, mache aber nicht oft Gebrauch davon, weil ich nicht begreife, wie die Gesellschaft von Abends 5 oder 6 Uhr bis gegen Mitternacht hieran Vergnügen finden kann. Schon allein eine Gesellschaft, die von beyden Geschlechtern vermischt ist, wo so viele Stunden blos der Ernst der Vergnügens wegen herrscht, kommt mir unnatürlich vor. Die Gegenstände, welche für diese Improvisatoren genommen werden, sind nämlich immer höchst sentimental oder aus der alten Mythologie oder Heroenwelt, wie z.B. der Tod der Medusa, der Streit des Ajax und Ulysses über die Waffen des Achill, Dianens Besuch beym Enymion u.s.w. Der Dirigent nämlich fodert einen aus der Gesellschaft auf, ein Thema zu geben, und dann stellt oder setzt sich der Improvisator oder deren mehrere, wie es der Gegenstand erfordert, der Gesellschaft gegenüber, und das Pianoforte begleitet die nach einer bekannten oder dazu festgesetzten Melodie abgesungenen Ottave rime. Wie konventionell die Schönheiten dieser Deklamationen sind, sieht man recht deutlich darin, daß, wenn auch die Improvisatoren noch so schlechte Sänger sind, wie es der erwähnte Pistruzzi ebenfalls ist, sie dennoch ihre Stanzen absingen müssen; wenn sie nun auch noch so schlecht, und in Einem fort bey der Melodie vorbeysingen, welches besonders auf die Länge sehr quälend wurde, so fällt es doch niemand auf. Wie ungereimt muß es daher einem Unbefangenen vorkommen, wenn sich z.B. Ajax und Ulysses gegen einander überstellen, und einander ihre Ansprüche auf die Waffen des Ulysses vorsingen, wenn ihre Gesang nicht das musikalische Gefühl angenehm besänftigt, und durch die Töne der Ausdruck des Gedichtes nicht verstärkt wird? Überhaupt aber sollte ich glauben, daß ein Improvisator in den erwähnten gewöhnlichen Gegenständen einen großen Theil seines Beyfalls dem Interesse für seine Person zu verdanken hat. Dem genannten Pistruzzi ist zwar eine große Leichtigkeit im Baue der Verse nicht abzusprechen; denn ich habe ihn in einem Abend leicht ein halbes hundert Ottave rime improvisiren gehört, wobey er höchst selten anstieß, er mochte allein oder in Wechselreden mit einem andern improvisiren. Im letzern Falle werden die Fesseln des Versbauers noch dadurch erhöht, daß, indem es Stanze um Stanze geht, der Folgende immer mit dem Reime wieder anfangen muß, mit welchem der letzte geschlossen hat, und noch schwerer wird es, wenn sie Zeile um Zeile singen, und auf diese Weise jede Stanze gemeinschaftlich hervorbringen. Wer aber die epischen Dichter der Italiener gelesen hat, hört nicht leicht einen neuen Gedanken; und in einer Sprache, die so reich an Reimen ist, scheint mir die Fertigkeit des Improvisirens nicht so bewunderswürdig zu seyn. Wollte man dagegen diese Kunst mehr in kleinern Dichtungsarten anwenden, wie in kleinen lyrischen Sachen, oder sie als ein Spiel des geselligen Witzes und der Laune betrachten, so würde man meines Erachtens einen weit passendern Nutzen von jenem Vorzuge der Sprache ziehen.

Notes:

Collected by:
EW