“Der holländische Improvisator, Willem de Clercq”

A six-part article on the Dutch improvisatore, Willem de Clercq, describes his evangelical-Christian style of improvisation, praises his skill and ability to improvise on any given theme, and differentiates him from Italian improvisatori.

Performer Name:
de Clercq; Daniel Schönemann
Performance Venue:
Amsterdam
Performance Date:
 
Author:
 
Date Written:
1824
Language:
German
Publication Title:
Morgenblatt für gebildete Stände
Article Title:
Der holländische Improvisator, Willem de Clercq
Page Numbers:
353-54; 359-60; 366-67; 370-72; 374-75; 378-79
Additional Info:
13, 14, 16, 17, 19 & 20 April 1824 issues (Nos. 89, 90, 92, 93, 94 & 95)
Publisher:
J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Place of Publication:
Stuttgart
Date Published:
1824

Text:

[353] Der holländische Improvisator, Willem de Clercq.

(De Letterae Feningen, ein Journal, welches seit dem Jahre 1760 in Amsterdam herausgegeben wird, und noch immer seinen Vorrang vor allen andern holländischen Zeitschriften behauptet, enthielt neulich eine kleine, aus der Abendzeitung herausgenommene, Notiz über den deutschen Improvisator des vorigen Jahrhunderts, Daniel Schönemann. Bey dieser Gelegenheit theilte der Uebersetzer einige Bemerkungen über einen jetzt lebenden holländischen Improvisator mit, die hiemit vom Verfasser in deutscher Sprache, mit einigen Zusätzen, gegeben werden.)

Nachdem der holländische Uebersetzer des deutschen Aufsatzes das Talent Schönemann’s gewürdigt hat, fährt er also fort:

Wir ergreifen mit Freuden diese Gelegenheit, um auf den Mann aufmerksam zu machen, der die Möglichkeit des Improvisirens in unserer Sprache nicht nur beweiset, sondern der dieses Talent in einem so hohen Grade besizt, daß er die billige Bewunderung Aller, die ihn hören, erregt. Wie groß auch die Fertigkeit gewesen seyn möge, womit ältere und neuere Dichter unseres Vaterlandes ihre Verse niederschreiben oder extemporirten: wir glauben nicht, daß es unter unserer Nation je einen Dichter gegeben habe, der im Stande war, über einen aufgegebenen Gegenstand so leicht und frey in gerundeten, kräftigen und wohlklingenden Versen zu sprechen, wie Herr Willem de Clercq in Amsterdam, so daß man ungewiß ist, ob man mehr die Macht über Sprache und Versbau, die Fülle und Tiefe der Gedanken, oder den wahrhaft poetischen Geist, von dem Alles angehaucht ist, bewundern soll. Dieses Talents ist keineswegs die Frucht einer langwierigen und mühsamen Uebung, sondern man kann es in der eigentlichen Bedeutung des Worts eine Gabe des Himmels nennen, da es sich fast unmerkbar und allmählig in ihm entwickelt hat. Man könnte sagen, daß er es schon in einem gewissen Grade besessen, ehe er es selbst wußte, und daß Uebung dieser Gabe von oben nur mehr Haltung, Ausdehnung und Rundung gegeben habe, so daß ee jetzt mit einer Kühnheit, die in Erstaunen sezt, über jeden aufgegebenen Gegenstand das Gefühl seines Herzens augenblicklich in fließenden Versen ergießt, und mit einer immer steigenden Begeisterung, die keinen Fall befürchtet, seine Zuhörer entzückt und emporhebt.

Herr de Clercq möge es uns vergeben, daß wir es wagen, in unserer Zeischrift namentlich von ihm zu reden, da er nie öffentlich Proben von seinem Talent abgelegt, und also Niemand das Recht gegeben hat, es vor dem Publikum zu beurtheilen: wir sind der Meinung, daß solche ausgezeichnete Gaben, worauf unsere ganze Nation stolz seyn darf, deren Genuß sich natürlich auf wenige Kreise beschränkt, ungewöhnliche Mittel rechtfertigen, um die Nation in Kenntniß davon zu setzen. Man hat es nicht für unbescheiden gehalten, daß ein geschätzter vater- [354] ländischer Gelehrter in einer öffentlich vorgelesenen Abhandlung das Talent des Herrn de Clercq gewürdigt, und daß ein anderer berühmter Niederländer in einem auswärtigen Blatte (Revue Encyclopédique) die ganze literarische Welt auf dessen ausgezeichnete Gaben aufmerksam gemacht hat. Möge das Publikum auch diesen Beytrag, um unsern merkwürdigen Mitbürger bekannt zu machen, aus diesen Gesichtspunkt betrachtet, und möge er selbst, dessen Bescheidenheit so groß wie sein Talent ist, diese Zeilen als eine aufrichtige Würdigung seiner seltenen Verdienste, und als dankbare Verehrung aufnehmen.

Unsere Mitteilungen über das Improvisiren des Herrn de Clercq bestehen in einigen Bemerkungen, die das Eigenthümliche seines Talents einigermaßen hervorheben können.

Der erste eigenthümliche Characterzug scheint uns darin zu bestehen, daß das Improvisiren des Herrn de Clercq aus dem Bedürfniß seines Herzens entspringt.

Poesie ist das höhere Leben seines Geistes. Alles, was ihn anspricht, erregt in seiner Seele eine solche überströmende Fülle von Empfindungen, daß er sie ausgießen muß, und in dieser Ergießung eine wirkliche Erleichterung findet. Keineswegs ist dieß die Wirkung einer unnatürlichen Anstrengung und durch Kunst hervorgebrachten Spannung, sondern das Gefühl, das in seinem Innern lebt, sucht und findet in der Sprache der Poesie einen natürlichen Ausweg. Er bedarf dazu keiner Zuhörer, die ihn anstaunen, und durch die Zeichen ihrer Bewunderung seinen Geist reizen und höher heben; denn so oft er sich mächtig ergriffen fühlt, treibt ihn ein inneres Bedürfniß, seinem Busen in dem stillen häuslichen Kreise, oder gar in der Einsamkeit, Luft zu machen. Und gleich wie das unverdorbene, reine Gemüth seine heiligsten Gefühle am liebsten in seiner Muttersprache ausdrückt, so bedient de Clercq sich dazu der Poesie, welche man die Muttersprache seines Herzens nennen kann. Daher denn auch die seltene und merkwürdige Erscheinung, daß das Improvisieren, bey der heftigen Bewegung seines Innern, ihn nicht ermattet, sondern seinen Busen vielmehr erleichtert. Bey den italienischen Improvisatoren findet meistens das Gegentheil statt. Welche hohe Bewunderung das Talent dieser Künstler auch einflöße: sie bedürfen oft äußerer Mittel, um ihre Phantasie zu reizen und ihre Empfindungen höher zu stimmen, und sie gerathen dadurch auch in eine solche Begeisterung oder heilige Wuth, daß Ermattung und Erschöpfung durchgängig einer jeden Improvisation folgt. De Clercq erniedrigt sein Improvisiren auch nie zu einer bloßen Kunst, die blos zum Zweck hat, Aufsehen zu erregen und Andere zu ergötzen, sondern es ist und bleibt die Ergießung seines Herzens, das von den heiligsten Gefühlen schwellt. Im Vollgenusse des häuslichen Lebens, womit ihn der Himmel so reich gesegnet hat, im Kreise seiner Freunde, die in dem Höchsten mit ihm übereinstimmen, und nach Unterhaltungen, die das Herz für alles Große und Gute erwärmt und durchglüht haben, sehnt er sich nach einer Gelegenheit zum Improvisiren, und in solchen Augenblicken erkennnt man in jeder Strophe einen Abdruck seines Innern, jede Zeile zeugt von der Tiefe und der Fülle seines Geistes, von der Reinheit seines Herzens und dem Feuer seiner Gefühle, während ein Jeder von der Ueberzeugung ergriffen wird, daß Kunst und Poesie ihm blos die Mittel darreichen, um seine Empfindungen so auszudrücken, wie das Bedürfniß seiner Gemühtsstimmung es fordert.

(Die Fortsetzung folgt)

[…]

[359] Der holländische Improvisator, Willem de Clercq.

(Fortsetzung)

Was das dichterische Talent des Herrn de Clercq zweytens characterisirt, ist die vollkommene Einheit, die in jeder Improvisation herrscht.

Sein ganzes Wesen ist ein untheilbares Ganze, und er fühlt das Bedürfnis an Einheit bey Allem, was er denkt, spricht und schafft, so tief, daß er es auch in seinem Improvisiren darlegt. Jede Improvisation beruht bey ihm auf Einem großen Eindruck, und man darf daher erwarten, daß er denselben in seiner Poesie aufnehmen und ihn in verschiedenen Formen wiedergeben werde. In dieser Erwartung findet man sich auch nicht getäuscht. Sobald er seinen Geist auf einen angewiesenen Gegenstand richtet, erschaut er ihn gleich in dem Lichte, worin er denselben darstellen will; sein Genie zeigt ihm augenblicklich an, von welcher Seite er sich am meisten zur Erreichung seines Zweckes eignet; er greift gewöhnlich auf einmal mit kräftiger Hand in den aufgegebenen Gedanken, und bedingt schon dadurch die ganze Behandlung; er weiß den Faden, den er einmal ergriffen, so fest zu halten, daß er ihm nicht entschlüpft, und am Ende steht der Gegenstand als ein abgerundetes Ganze vor dem entzückten Blick seiner Zuhörer. Man hört daher auch keine Verse, die durch ein lockeres Band aneinander gereiht, sich blos dadurch auszeichnen, daß sie ohne Stockung daher fließen, keine einzelne Bruchstücke, die mit Mühe zusammengefügt sind, keine Gemeinplätze, die oft wiederkehren und an schicklichen Orten eingeschaltet werden, sondern alle Verse, die er ausspricht, und alle rhetorischen Figuren, mit denen er sie ausschmückt, sind durch ein inneres nothwendiges Band vereinigt, und gehören, zusammen genommen, zu dem Thema, das er, durch das reine Gefühl seines Herzens geleitet, in das aufgegebene Wort gelegt. Bisweilen gelingt es ihm, verschiedene Gegenstände zu einem schönen natürlichen Ganzen zu verbinden, allein wir betrachten solche Kompositionen, wie bewundernswürdig sie an und für sich auch seyn mögen, eher als eine Erniedrigung, wie als eine Erhöhung seines Talentes, das nicht in dem Verstande, sondern im Herzen seinen Hauptsitz hat, und dessen Wirkungen nicht bey den Sängern des kunstliebenden Südens, sondern bey den alten Dichtern des religiösern Nordens zuerst wahrgenommen wurden. Wir bewundern die fast unglaubliche Kraft des menschlichen Geistes bey vielen italienischen Improvisatoren, wodurch ein Ludovico Sevio die Worte Erbsünde, Kometen, Ebbe und Fluth zu einem schönen Ganzen zu verbinden wußte, und wodurch der noch jezt lebende Tommaso Sgricci im Stande ist, ein ganzes Trauerspiel in verschiedenen Akten mit Chören nach einem aufgegebenen Thema aus [360] dem Stegreif mit gehöriger Rücksicht auf Personen, deren Stimme, Haltung und Geberden abzusingen, allein wir finden in solchen gewaltigen Anstrengungen nicht die Poesie, die dem vollen und reinen Herzen entquillend, das Herz für das, was groß und gut ist, erwärmt. Wir geben zu, daß de Clercq bis jetzt noch nicht im Stande ist, etwas so Außerordentliches zu leisten, und vielleicht ist er in den Augen dessen, der in diesen Wirkungen des menschlichen Geistes blos die Kunst bewundern will, weit unter jenen gepriesenen Italiener, allein wir hegen die Meinung, daß sein poetischer Talent von ganz anderer Art und mit unwillkührlich abgehalten fühlen muß, nach einem solchen Ruhm zu streben.

Man muß dazu bey allem Lobe, das den italienischen Improvisatoren gebührt, nicht vergessen, daß die meisten Gegenstände, welche sie behandeln, sich auf griechische und römische Mythologie und Geschichte beschränken, so daß sie sich immer auf demselben Gebiete befinden, wobey man in Betracht nehmen muß, daß sie den Kopf durchgängig voller Gemeinplätze haben, welche sie bey vorkommenden Gelegenheiten anbringen. Dergleichen Hülfsmittel, die von Armuth zeugen, verschmäht unser vaterländischer Dichter. Sein Geist ist reich und tief genug um immer neue Gedanken zu schaffen, neue Bilder aufzufinden und neue Schilderungen zu entwerfen, und das Bedürfniß der Feinheit ist in seiner Seele zu sehr eingeprägt, um es durch das Verbinden ungleichartiger Ideen zu verläugnen.

(Die Fortsetzung folgt)

[…]

[366] Der holländische Improvisator, Willem de Clercq.

(Fortsetzung.)

Reiche Gedankenfülle ist das dritte Kennzeichen des Herrn de Clercq beym Improvisiren.

Auch abgesehn von der Improvisationsgabe, erregt unser Mitbürger schon Bewunderung durch die ungemeine Leichtigkeit und den seltenen Scharfsinn sowol, womit er jedem Gegenstand aufzufassen und zu ergründen weiß, als durch die ganz vorzüglichen Kenntnisse, welche er sich erworben hat. Nicht nur ist er mit den alten Sprachen bekannt, sondern es gibt fast keine gebildete Sprache des nördlichen und südlichen Europas, die er sich nicht durch philosophisches Studium angeeignet hat, und mit deren Literatur er nicht mehr oder weniger vertraut ist, womit er eine vielseitige philosophische Geschichtskunde und eine umfassende Kenntniß des geographischen, statistischen und moralischen Zustandes der Welt vereinigt. Seine einzelnen gedruckten Abhandlungen können zu Belegen dienen, während seine, von der königlich niederländischen Institute gekrönte, Preisschrift (Ueber den Einfluß der [367] ausländischer Literatur auf unsere unterländische) bald noch mehr Beweise davon abgeben wird. Sobald man nur ein Gespräch mit ihm angeknüpft hat, kann man sich durch die Originalität und die Richtigkeit seiner Bemerkungen, und durch die Leichtigkeit und Schnelligkeit, womit er seine Ideen entwickelt, davon überzeugen. Er ist daher auch im Stande, über einen aufgegebenen Gegenstand in Prosa zu improvisiren, oder seine Gedanken darüber auszudrücken, und noch vor Kurzem sezte er eine Gesellschaft von Gelehrten in einer vaterländischen Universitätsstadt in Erstaunen, da er mehr wie eine halbe Stunde lang in einem fließenden Styl mit gründlicher Sachkenntniß und ungemeinem Scharfsinn über die Jesuiten sprach, welchen Stoff die Gesellschaft gerade an dem Abend behandelte. Die Neuheit, Wahrheit und Erhabenheit des Standpunktes, von welchem er bey dieser Betrachtung ausging, und die tiefen Einsichten, welche er dabey zeigte, erregten allgemeine Bewunderung. Alle diese Gaben, womit der Himmel ihn so reichlich ausgestattet, und die er selbst so fleißig ausgebildet und erscheinen, zu Einem herrlichen Ganzen vereinigt, in seinem Improvisiren. Es sind keine Gemeinplätze, in einen poetischen Wortschwall gehüllt, wodurch er seine Zuhörer zu verblenden trachtet, sondern Wahrheiten, die durch ihre Richtigkeit den Beyfall erzwingen, durch ihre Originalität überraschen, während sie durch ihre Erhabenheit den Geist emporleiten und das Herz erwärmen. Man sieht an der ganzen Behandlung, daß er seinen Gegenstand vollkommen beherrscht, und los von den Fesseln der Sprache, des Versbaues und des Reimes, mit mächtiger Hand aus dem reichen Schatze, welchen sein Genie, seine Kenntnisse und sein Gefühl ihm öffnen, dasjenige herausnimmt, was er zur Entwicklung seines Stoffes bedarf. Sein Gegenstand versezte ihn auf den heiligen Boden des Morgenlandes, in die lachenden Gefilde Griechenlands oder Italiens, in Skandinaviens Wüsten oder in Caledoniens Nebel, an die Ufer des Ebro, der Themse, der Seine und des Rheins, oder an die Gestade des Ganges und Missisippis: er steht überall gleichsam wie auf seinem eigenen Grund und Boden; er besinge einen Mann oder ein Ereigniß, die mit dem Althertum, dem Mittelalter oder mit den neuern Zeiten in Verbindung stehen: immer gibt er in seinen Improvisationen deutliche Beweise, daß er mit den Sitten und Gebräuchen, mit dem Geiste, der Geschichte und Literatur der verschiedenen Völker vertraut ist, und durch gründliches Studium wichtige Resultate daraus hergeleitet hat.

(Die Fortsetzung folgt.)

[…]

[370] Der holländische Improvisator, Willem de Clercq.

(Fortsetzung.)

Der vierte hervorstechende Zug beym Improvisiren des Herrn de Clercq ist die hohe und wahrhaft religiöse Tendenz, womit er jeden ihm aufgegebenen Gegenstand behandelt.

Er gehört nicht zu den Dichtern, die, wie Goethe, in ihrer Poesie nach einer objektiven Wahrheit streben, sondern er mengt, wie Schiller, seine Individualität unwillkürlich in die Verse, die seinem Herzen entströmen, so daß man in Allem, was er in Augenblicken dichterischer Begeisterung ausspricht, die eigenthümliche Richtung seines Geistes bemerkt und die Farbe erkennt, welche das Gefühl seines Herzens über die materielle Welt verbreitet. Und diese Individualität liegt in dem reinen und lebendigen Gefühl für Alles, was edel, groß und gut ist, in einem Herzen, das, durch den Einfluß des Christenthums gebildet und veredelt, Alles zur Erreichung des hohen Zieles anwenden will, das uns in dem Evangelio vorgestellt wird. Er erblickt in allen Erscheinungen der äußern Welt die Abzeichen höherer Wahrheiten; alle Naturschilderungen, alle Ereignisse und alle merkwürdige Personen, die er besingt, stehen vor seinen Augen in der innigsten Beziehung mit der Regierung einer weisen und liebevollen Vorsehung, und mit dem erhabenen Zwecke, wozu Gott den Menschen bestimmt hat, und wenn auch der Gegenstand zu einer solchen Behandlung wenig geeignet scheint, weiß er seiner Poesie ohne allen Zwang eine höhere Richtung zu geben. Es ist wohl vorgekommen, daß man ihm unter Scherz einen Stoff aufgab, der keine ernstere Behandlung zuzulassen schien, aber er ist dadurch nie in Verlegenheit gesezt; im Gegentheil sahen seine Freunde, die den ihm so eigenen Frohsinn in Anspruch zu nehmen schienen, sich in ihrer Erwartung meistens getäuscht, und fühlten sich zu hohem Ernst gestimmt.

An einem Geburtsfeste reichte er unter anderm ihm Jemand ein Elementar-Rechenbuch, den Bartjes, dar, der in Holland etwa das ist, was in Deutschland Adam Riese, mit der Aufforderung, darüber zu improvisiren. Während ein Jeder über diese sonderbare Wahl des Gegenstandes lächelte, stand de Clercq auf, und ging davon aus, daß der Mensch, wie überall in Allem in und außer ihm, so auch in den Formen seines Denkens und Erkennens und in deren Gesetzen, einen Abdruck von dem Bilde seines wahren Daseyns und seiner höhern Bestimmung finden könne, stellte die Rechenkunst und deren Princip: Bildung und Entwicklung der Größen, aus — und Zurückführung und Auflösung derselben zu der Einheit — als ein Bild des menschlichen Lebens dar, und malte dieß, in Anwendung auf die verschiedenen Stufen des Alters, mit den lieblichsten Farben aus. Die Kindheit, in der Aufnahme der Vorstellungen von den Größen der Außenwelt, und in der Entwicklung der ursprünglich gegebenen innern Kraftanlage fortschreitend, mit Eins zu Eins; — die Jugend, in der überschwenglichen Fülle der Kraft, in der Glut der Gefühle, im Glück der Liebe, im Segen der Ehe, im Eifer des berufenen Wirkens, strebend nach Idealen, und so die schon gewonnene Größe selbst wieder als Einheit setzend zu höherer neuen Entwicklung in Ein-mal-Eins; — des vollern Alters ruhigere Schätzung der Maße und schärfere Scheidung der nüchternen Wahrheit vom lieblichen Träume des Lebens – im Abziehn begriffen, – der Greisen Bemühung endlich, um rettend aus der großem Masse des Vielfachen und Mannichfaltigen durch Zersetzung und Auflösung ein reines und ein- [371] faches Ergebniß des Lebens zu gewinnen und zu bewahren — das Alles führte de Clercq in so entzückend rührenden Schilderungen aus, daß schon, noch ehe er geendigt hatte, seine Zuhörer aufs Tiefste ergriffen waren. Und das Ende?….Des Lebens hohe Aufgabe so zu lösen, daß wir durch den Streit jener Entwicklungsstufen hindurch mit einer ähnlichen, aber höhern als der blos unbewußt kindlichen, Einfalt und Einheit unsers Wesens hinübertreten können — o, dazu gibt es nur Eine Weise des Verfahrens, den Glauben an Ihn, der der rechte Meister, der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.

Man kann aus diesen schwachen Umrissen den Geist dieser Improvisation einigermaßen beurtheilen, und man wird ohne Zweifel die Wahrheit dessen erkennen, was wir über die erhabene Tendenz des Improvisirens bey de Clercq gesagt haben, und sich mit uns überzeugt halten, daß die Behandlung ernster und großartiger Gegenstände ihm am besten gelingt. Der Verfasser der obbenannten Notiz in der Revue hat verschiedene dergleichen Improvisationen unsers Mitbürgers angeführt, unter andern die über das Trauerspiel, den Tod Sokrates, die Reise des Königs von Neapel nach Laybach &c. Wir setzen hinzu, daß er nach der Zeit bey verschiedenen Gelegenheiten, im Kreise seiner Freunde, oder in der Gegenwart einiger berühmten Gelehrten unsers Vaterlandes, die folgenden Gegenstände in demselben religiösen Sinne behandelt hat: Der Glaube an Gott, das Ideal, Noah, Salomo, Luther, Ossian, Tasso, Racine, Voltaire, Wilhelm Tell, Indien, die Blumensprache, die Druckkunst, der Brand Konstantinopels &c. Doch wir wählen aus den vielen Improvisationen, bey denen wir zugegen waren, eine, die unserer Meinung nach, am besten zum Beleg für das Angeführte dienen kann. Im verflossenen Winter brachte er, nach dem Vorlesen seiner vortrefflichen Abhandlung über die Romanzen des Cid (in der Hollandsche Maatschappy van Kunsten en Wetenschapen) einige Stunden in der Gesellschaft zweyer geistreicher Theologen von der Berliner Universität zu, die zu ihrer Vorbereitung für ihr Amt auf einer Reise durch Deutschland, Holland, die Schweiz und Italien begriffen waren. Nach einem lebhaften Gespräche bat einer dieser jungen Männer ihn, über den Faust, in Bezug auf Goethe, zu improvisiren, wozu er, ohne sich auch nur einen Augenblick zu bedenken, bereit war.

"Kunst und Wissenschaft (davon begann er) dem Keime der edelsten Triebe und Anlagen des menschlichen Wesens entsprossene, edle Früchte zum Segen der Menschheit — ach! Auch ihren Gewinn und Besitz verkehrt die unselige Verderbtheit des Sterblichen zum Unheil, indem vermessener Dünkel ihn über die, seiner Natur für den Lauf zu seiner Bestimmung gemessenen, Schranken hinaustreibt!"

"Dieß, eine uralte Wahrheit, stellt die verborgene oder einfältige Weisheit der Sagen in warnenden Bildern, an Gestalt nach den Formen der Zeit und Volksbegriffe verschieden, uns vor die Augen. In den Mythen vom Ikarus, Phaëton und Empedokles die hellenische Vorzeit — das Mittelalter in der Sage vom Faust."

"Wie der fromme Sinn dieser Zeit mit Furcht und Entsetzen auf die Verirrung der frevelnden Kühnheit einer starken Menschennatur schaut, und sie im Nebenschreiten geheiligter Schranken unwiderstehlich der Macht und dem Verderben des bösen Geistes anheim fallen sieht, der schon im Paradiese die Herzen der ersten Menschen mit der Lust nach der Frucht vom verbotenen Baume der Erkenntniß erfüllte — so lehrt es diese Sage vom Faust."

"Aber anders hat diesen Gegenstand Goethe in seiner Behandlung gefaßt."

So ging de Clercq in verändertem Versmaße zu einer Darstellung des Goetheschen Fausts und von dieser zu Goethe selbst, den er als Denker und Dichter, als den sich niemals gleichen Proteus unseres Jahrhunderts schilderte, über. Unbeschreiblich schön malte Vers, Reim, Wort und Ton die wechselnde Empfindung seines reinen Dichterherzens bey den verschiedenen Werken Goethe’s — der Iphigenie, dem Tasso, Egmont, Werther &c., die seine Schilderung in wenigen kräftigen Zügen dem Blick vorüber führte. Alles war gleich ausdrucksvoll, von der Bewunderung herab, die er freudig den sinnbildlich dichterischen Natur- und Weltanschauungen Goethe’s zollte, bis zu der Empörung über die schlechte Gemeinheit, womit dessen Wahlverwandtschaften das heiligste Bündniß auf Erden schänden.

Dann, wie aus allem dem Frühern gleichsam die Lehre und Anwendung ziehend, fuhr er fort:

"Alle Poesie und alles Wissen erhält erst eigentlichen Werth im Dienste des Höhern. Dem Geiste, dem tiefen Grunde unsers Wesen, und dem Gefühle unserer höhern Abkunft, Natur und Bestimmung, entsprossen, müssen sie auch wieder, den Geist weckend, belebend, erhebend und heiligend, zum Höhern führen. Ohne das — todt in sich selber, unnütz und verächtlich sind sie — in verkehrter, dawider streitender Richtung, und im Dienste des Niedern fluchbar und verderblich."

"Keine andere, denn allein von diesem Geiste geleitete Dichtkunst zu treiben, ist und wird je mehr und mehr meiner Landleute Grundsatz."

Und nun, in herzergreifender Ansprache zu den beyden jungen Gelehrten sich wendend, fuhr er fort:

"Ihr, die ihr an den Ufern der Spree und des Rheins Kunst und Wissenschaft getrieben, und diesen Geist und Sinn bey uns erkannt habt, haltet die Erinnerung daran fest; bezeugt es bey den Euern, daß man auch in den niedern deutschen Landen Wissenschaft und Kunst als Blüthen hegt, die Früchte für ein höheres Leben treiben müssen; sagt ihnen, wie man hier Alles, was in der Art Verwandtes von ihnen zu uns überkommt, aber auch nur das, herzlich [372] willkommen heißt; sagt ihnen, daß man auch hier Goethe huldigt, wenn er die höchsten Wahrheiten mit religiösem Glauben darstellt, aber ihn nicht lieben kann, wie er in dem Faust erscheint. — Sezt eure schöne Wanderung, den Blick aufs Höhere gerichtet, freudig fort; vergeßt über die neuen Freunde, die ihr findet, die, welche ihr zurücklaßt, nicht; und laßt fortwährend den frommen Christusglauben und die fromme Christusliebe das Band eurer genauern Verbindung mit dem Menschen bleiben. Doch wißt auch überall den frommen Sinn zu finden und zu ehren, in wie verschiedener Form und Gestalt er sich erweisen mag, — auch wenn ihr in den herrlichen lombardischen Gefilden die Andacht vor dem Marmor knien seht. Kehrt dann reich an Erfahrung, glücklich heim, und wirket treu und mit dem Glaubensmuthe, dem jeder Zweifel weicht, an dem herrlichen Baue des Reiches Gottes auf Erden!"

Und nun ergoß sich sein vollgeströmtes Gemüth in eine glühende Dithyrambe, wodurch er seine Zuhörer zu dem hohen Ziele erhob, das uns in Christo Jesu vorgestellt ist.

Wenn man sich denkt, daß alles dieses in poetischen Schmuck gekleidet, in kräftigen, fließenden Versen mit hoher Begeisterung ohne alle Vorbereitung ausgesprochen oder vielmehr ausgegossen wurde, so wird man fühlen, daß die Anwesenden nach dieser Improvisation augenblicklich auseinander gingen, um die hohe Gemüthsstimmung, zu der sie emporgezogen waren, durch keine ungleichartigen Gespräche zu stören.

(Die Fortsetzung folgt.)

[…]

[374] Der holländische Improvisator, Willem de Clercq.

(Fortsetzung.)

Der lezte Charakterzug des Herrn de Clercq als Improvisator ist die Schnelligkeit seines Ideenganges, und die Leichtigkeit seines Versbaues.

Auch in dieser Hinsicht zeichnet unser Mitbürger sich vortheilhaft aus. Er bedarf gewöhnlich keinen Augenblick um über seinen Gedankenstand nachzudenken, und zu überlegen, wie er denselben auffassen will; meistens bricht er in kräftigen Versen los, und der erste Griff bedingt oft die ganze Behandlung. Ist er einmal im Gange, so fließen seine Verse dahin ohne die geringste Stockung, und schneller, als ein Dichter seine Poesien vorzulegen pflegt; er ändert das Versmaß, nachdem der Gang des Gedichtes solches erfordert; selten strauchelt er auf seinem Wege; und wenn dieß auch wohl einmal geschieht, gibt es meistens seinen Gedanken eine ganz neue und überraschende Wendung. Wir geben zu, daß man über den ästhetischen Wert seines Talents dann erst gehörig würde urtheilen können, wenn man seine improvisirten Poesien lesen könnte, und wir glauben auch, daß der Kunstrichter in seiner dichterischen Sprache und Styl Grund zu billigem Tadel würde finden können, doch Alles zeichnet sich auch in dieser Hinsicht so sehr aus, daß es den Totaleindruck nicht stört, und vielmehr Erstaunen, als kritisirende Anmerkungen weckt. Treffende Bilder, originelle Vergleichungen, überraschende Wendungen und Beyspiele, aus der Weltgeschichte hergenommen — alle diese Zierden der Poesie beleben seine Improvisationen, und erfüllen die Seele mit einer süßen Mischung von Bewunderung und Freude.

So viel wir wissen, sind nur zwei Gedichte von de Clercq gedruckt, eines an seinen Freund, Herrn da Co- [375] sta, der als genialer Dichter und Gelehrter eine sehr hohen Rang in Holland bekleidet, und ein anderes an Herrn John Bowring*), den als Dichter und Gelehrten hochgebildeter Londoner Kaufmann. Doch diese beyden Proben beweisen unseres Erachtens hinlänglich, daß sein Talent von der Improvisationsgabe der meisten Italiener sich auch darin unterscheidet, daß er nicht nur in Augenblicken poetischer Begeisterung im Stande ist, gute Verse zu machen, sondern auch in einer ruhigeren Stimmung Beweise seines dichterischen Geistes zu geben vermag, die den Auforderungen der Kunst Genüge leisten.

Zur Bestätigung des Gesagten wählen wir aus den vielen Improvisationen de Clercq’s die folgende, welche sich durch eine geistvolle Wendung vorzüglich auszeichnet.

Als vor einiger Zeit Herr Hofrath Bouterweck sich in Amsterdam befand, hat er in einer Gesellschaft de Clercq die Wahl eines neuen Papstes zu besingen, und nachdem er diese nicht leichte Aufgabe in einem philosophisch-historischen und christlichen Sinne zum Erstaunen aller Anwesenden gelöst hatte, wies ein Anderer ihn auf die Göttinger Universität. Augenblicklich sprang er auf, und stellte die Universitäten vor als Vereinigungspunkte für alle Nationen der Erde, als Pflanzschulen der Menschheit. In diesem Lichte betrachtete er auch Göttingen. Von da aus hatte Haller ein neues Licht über die Naturkunde, und Heyne über die klassische Literatur verbreitet, und da arbeiteten noch in einem Geiste Blumenbach, Heeren und Bouterweck. Nachdem er das Verdienst der drey ersten großen Männer mit kurzen Zügen geschildert hatte, bleib er bey Heeren stehen, und ging dessen Ideen durch, wobey er seine Zuhörer auf das Licht wies, das dieser größte Geschichtsforscher unserer Zeit in dem Werke über die Weltgeschichte, und namentlich über die Geschichte Egyptens, Indiens, Karthago’s und Griechenlands verbreitet hat; hierauf wandte er sich zu Bouterweck, hob dessen literarischen Verdienste hervor, welche er sich insonderheit durch seine "Geschichte der Poesie und Beredsamkeit" erworben habe, ging die Hauptperioden dieses Werkes kürzlich durch, und bezeugte am Schlusse in einem so bescheidenen, rührenden Tone sein Leidwesen, daß die Niederlande keinen Platz darin gefunden hatten, daß Bouterwerck, wiewohl er nicht Alles verstand, tief ergriffen wurde. "Durch eine solche Unparteylichkeit allein, so endigte de Clercq, welche das Gute bey allen Völkern zu schätzen weiß, würden Bouterweck und dessen berühmte Amtsgenossen Göttingen zu dem hohen Range erheben, welche die Universität als Vereinigungspunkt als Vereinigungspunkt für alle Nationen, als Bildungsschule der Menschheit, besitzen müsse."

(Der Beschluß folgt.)

* Wir können uns nicht enthalten, bey dieser Gelegenheit auf die so eben in London erschienene Batavian Anthology (or specimens of the Dutch Poets, with remarks on the poetical literature and language of the Netherlands the end of the seventeenth century by John Bowring, honorary Correspondent of the Royal Institute of the Netherlands etc. and Harry S. van Dyk) aufmerksam zu machen, ein Werkchen, das viele treffende Bemerkungen über die holländische Sprache und manche gelungene Uebersetzungen aus derselben enthält. Die Zueignung besteht in einem schönen sinnvollen Gedichte an die Herren Bilderdyk, Feith, da Costa und de Clercq. In Deutschland herrscht noch leider ein Vorutheil gegen holländische Poesie und Literatur, und Männer wie Wachler (man sehe dessen Geschichte der historischen Forschungen) machen noch immer eine Ausnahme. Während die Deutschen keinen Roman von Walter Scott und kein Gedicht von Byron und Lamartine unübersezt lassen, und selbst die erst aufkeimende Literatur der nordischen Völker pflegen, zeigen sie sich blos gegen Holland so partheyisch, gegen ein Land, dessen Poesie und Beredsamkeit sich schon zu einer glänzenden Höhe erhoben hatte, da Deutschland blos einen Opitz aufweisen konnte, und von dem Bowring, ein Mann, der mit der älteren und neueren Literatur Europa‘s so innig vertraut ist, in unsern Tagen sagt: "We hope this volume will be soon followed by a continuation to our own days, than which no prouder period of literature has a place in the rolls of time." Wir führen lieber die Worte eines Fremden an, da der Lob auf die jetzige holländische Literatur, das von dem Verfasser dieses Aufsatzes, einem in Holland eingebürgerten Deutschen, herrührt, leicht partheyisch und also verdächtig scheinen könnte.

[…]

[378] Der holländische Improvisator, Willem de Clercq.

(Beschluß.)

Was den Vortrag des Herrn de Clercq beym Improvisiren betrifft, so ist dieser so ungezwungen und natürlich, daß man fühlt, wie er keineswegs dahin strebt, um den Eindruck seiner Poesien durch ein glänzendes Aeußere zu erhöhen, sondern wie er, ohne daran zu denken, mit [379] dem Ergießen seines Gefühls auf die ihm eigenthümliche Weise sich begnügt. Es mag wahr seyn, daß der Kunstrichter auch in dieser Hinsicht seine Anforderungen nicht befriedigt findet; die Ueberzeugung, welche sich eines Jeden unwillkürlich bemächtigt, daß de Clercq natürlich spricht, kann einigermaßen gegen das aufwiegen, was in der Stimme, in der Haltung und den Gederben weniger gefällt.

Schließlich fügen wir noch hinzu, daß die beyden ersten Improvisationen, deren Gang und Geist wir anzudeuten versucht haben, aus einer früheren Zeit herrühren, und also nur unvollkommene Beweise von dem abgeben können, was de Clercq, dessen Genie je länger je mehr an Umfang und Tiefe gewinnt, jetzt als Improvisator zu leisten im Stande ist. Wir hörten ihn vor wenigen Tagen über Luther improvisiren, einen Gegenstand, den er schon früher auf unsere Bitte besungen, und wir wurden von der erhabenen Gedankenfülle tief ergriffen, wodurch diese letztere Poesie sich vor der erstern auszeichnete, welches gewiß nicht bloß einem glücklichen Momente, sondern vielmehr der größern Reife seines Geistes zugeschrieben werden muß. Wir bedauern nur, daß die Begeisterung, wozu wir uns unwillkürlich hingerissen fühlten, uns die nöthige Besonnenheit raubte, um diese große und meisterhaft durchgeführte Komposition so tief unserm Gedächniß einzuprägen, daß wir den Gang und Geist derselben schildern können. Welch eine Zukunft öffnet also dieser Mann unsern Blicken!

Wir beschließen hiermit unsere Bemerkungen über das Improvisiren des Herrn de Clercq, und glauben zur Erreichung unsers Zwecks genug angeführt zu haben; allein wir können uns das Vergnügen nicht versagen, hier beyzufügen, daß unser Mitbürger kein eigentlicher Gelehrter oder Literator ist, sondern daß er sich die reichen Schätze der ältern und neuern Sprachkunde, der Geschichte und der Philosophie erworben, und seinen Geist so sehr entwickelt hat, während er von seiner Jugend an für den Handel gebildet wurde, und diese Schätze noch immer vermehrt, während er an der Spitze eines wichtigen Handlunghauses (unter der Firma: S. et P. De Clercq) steht, daß er sich in seinem eigentlichen Fache eben so tiefe Einsichten und ausgebreitete Kenntnisse verschafft hat (wir führen zum Beweise blos die gedruckte und von ihm verfaßte Schrift über den Getreidehandel an, welche die Kaufleute Amsterdams im Jahre 1822 SR. Majestät dem Könige überreichten), und seinen Geschäften keinen Augenblick entzieht, daß er immer Zeit findet, um an den Freuden des geselligen Lebens Theil zu nehmen, einen ausgebreiteten literarischen Briefwechsel zu führen, und Posten für das allgemeine Wohl zu bekleiden (er ist Mitglied des Schulausschusses in Amsterdam und des Kirchenvorstandes der Taufgesinnten oder Mennoniten-Gemeinde*) Nach allen diesen angeführten Beweisen überlassen wir das Urtheil über diesen kaum neun-und-zwanzigjährigen Mann mit Ruhe unsern Lesern.

Wir endigen mit dem Wunsche, daß das Angeführte Herrn de Clercq nicht unwillkommen sey , und daß Gott ihn im Besitze seiner ungeschwächten Gesundheit bewahre, und ihn noch lange Zeit für sein Vaterland spare, welchem er zu einer so seltener Zierde gereicht, für das Christenthum, dem er mit einem so kindlichen und warmen Glauben zugethan ist, und für seine Angehörigen und zahlreichen Freunde, die in Hochachtung und Liebe zu ihm wetteifern.

* Herr de Clercq wurde in glücklichen Familienverhältnisse geboren und erzogen. Die meisten Mitgleider seiner Familie zeichneten sich durch Geschmack für Wissenschaft und Kunst rühmlich aus, und sein Großvater mütterlicher Seite, der bürgerlich in hohem Alter gestorbene Prediger der Taufgesinnten Gemeinde in Amsterdam, Herr Willem de Bos, der sich durch zahlreiche Schriften als vielseitig gebildeter und gründlicher Gelehrter großen Ruhm erwarb, hatte an der früheren Erziehung und Ausbildung seines Enkels keinen geringen Antheil.

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