- Performer Name:
- Performance Venue:
- Performance Date:
- Author:
- Jean Paul [Richter, Johann Paul Friedrich]
- Date Written:
- Language:
- German
- Publication Title:
- Titan
- Article Title:
- Page Numbers:
- 3:674-676
- Additional Info:
- Qtd from Werke, ed. Gustav Lohmann
- Publisher:
- Carl Hanser
- Place of Publication:
- Munich
- Date Published:
- 1959
Text:
[674] "Man sollte" (sagte Dian) "das prächtige Welschland noch auf der Grenze besingen, wenn man von dem Kastellan eine Gitarre [675] bekäme." Er ging und brachte eine. Nun fing er an italienisch zu improvisieren an. Er sang: "In Apollo wirde die alte Liebe nach dem vorigen Schäferlande auf der Erde und nach der verlornen verhüllten Daphne wieder wach — er stieg vom Himmel, um beide zu finden — ihm hatte Jupiter den Momus mitgegeben, der ihm das Häßliche zeigen sollte, damit er zurückfliege — als ein schöner lächelnder Jüngling ging er über die Inseln, durch die Ruinen der Tempel, durch ewige Blüten, vor göttlichen Gemälden einer unbekannten hehren Jungfrau mit einem Kinde und vor neuen Tönen vorüber und zog wie über die Zauberkreise einer schönern neuen Erde. — Vergeblich zeigte Momus ihm die Mönche und Seeräuber und seine von der Zeit niedergeworfnen Tempel und ließ ihn spottend Thermensäulen für Tempelsäulen nehmen — der Gott sah hinauf zum hohen kalten Olymp und sah herab auf dies warme Land, auf diese große goldne Sonne, diese hellblauen Nächte, diese ewigblühenden Düfte, diese Zypressen, diese Myrten- und Lorbeerwälder und sagte: hier ist Elysium, nicht in der Unterwelt, nicht auf dem Olymp — da gab ihm Momus ein Lorbeerzweig von Virgils Grabe* und sagte: das ist deine Daphne. Jetzt erzürnte sich seine große Schwester Diana, sie gab Daphnen ihre Gestalt und Kleidung, als komme sie aus den Wäldern der Pyrenäen herüber; aber er erkannte die Geliebte und ging mit ihr in den Olympus zurück." — Als Dian das sang und die Lieder mit den Saitentönen fliegen ließ, so standen hoch drüben im Himmel die ewigen Glanz-Gebürge aus Eis, von den Bergen flatterten Quellen und Schatten in den hellen See, und der Abend bewegte sich entzündet und entzückt. Da ergriff der stille Albano die Saiten, senkte das Auge in den Blitz der Gebürge ein und fing errötend an: "Verweile, o Sänger, bei den hihen Geistern, die auf das Schlachtfeld zogen, tötend, sterbend — und die aufbaueten die ewigen Tempel der Menschhet — verweile bei den reinen Demanten, die glänzend und fest unter dem Hammer des Schicksals bleiben — verweile bei der alten Zeit, bei dem Meere Roms, das ein Weltteil trug und die andern untergrub — aber fliehe vor der Zeit, die ihren Gipfel in ihren eignen [676] Krater senkte. — Verweile, Sänger, auf der Höhe und schaue in den Garten der Welt herunter, der ein spielendes Menschenleben ist — die Ruine wird Fels, und der Fels Ruine — auf dem hohen Vorgebürge duftet die Blüte, unten liegt das Meer mit offnem Rachen — über die Scylla glänzen schöne Häuser und Gassen zwischen dem Lager erschrecklicher Felsen. — Und der Gott fliegt über das Land und sieht das Kind auf der Tempelsäule am Ufer und die Göttertempel voll Mönche, die Sümpfe voll namenloser Ruinen und die Küste voll Blüten und Grotten — und die blühenden Myrten und Reben und die Feuerberge und die Inseln — und Ischia….
Aber ihm ersank die bestürmte Gitarre und die Stimme, das Auge ging tief in den Himmel und in das Leben des Menschen ein, und er entfernte sich, um das laute Herz zu stillen. In der köhlenden Einsamkeit bemerkte er, wie weit schon die Sonne hinabgeflogen sei wie mit Amorsflügeln durch einen kältern Himmel; — er kehrte schnell zurück, in der Abendröte schlug seine Scheidestunde aus.
*Dian liebte den Virgil nicht.
Notes:
Titan originally published 1800-1803
- Collected by:
- AE