Johann Reinhold Forster, Bemerkungen über Gegenstände der physischen Erdbeschreibung, Naturgeschichte und sittlichen Philosophie auf seiner Reise um die Welt gesammlet

Forster describes the Tahitians’ poetic and artistic development, and mentions on several occasions that they commonly sing improvised poetry, especially to remark on current events and their company.

Performer Name:
 
Performance Venue:
 
Performance Date:
 
Author:
Johann Reinhold Forster
Date Written:
 
Language:
German
Publication Title:
Johann Reinhold Forster’s Bemerkungen über Gegenstände der physischen Erdbeschreibung, Naturgeschichte und sittlichen Philosophie auf seiner Reise um die Welt gesammlet. uebersetzt und mit Anmerkungen vermehrt von dessen Sohn und Reisegefährten Georg Forster
Article Title:
 
Page Numbers:
402-03; 406-07; 411-12
Additional Info:
 
Publisher:
Haude und Spener
Place of Publication:
Berlin
Date Published:
1783

Text:

[402] [On the Tahitians:] Inniges Gefühl beflügelt seine Worte; Bilder strömen hervor; zu köstlich ist ihm ihm die Zeit, um jedesmal das Ding mit rechtem Namen zu nennen, welches eine Aehnlichkeit, ein Zug, ihm jetzt lebendig darstellt, und andern kenntlich machen kann; jede auszeichnende Eigenschaft eines Dings ist ihm die Sache selbst; so entsteht eine Art von Poesie, mit ihren Gemälden, Gleichnissen, Metaphern und [403] Epitheten. Die Zuschauer ergötzt dieser Auftritt; sie fangen an, bekannte Handlungen ihres einfachen Lebens durch Pantomimen auszudrucken, und diese Vorstellungen mit rohem, materiellen Scherz zu würzen. Je näher und natürlicher jemand einen gewissen Zug nachzuahmen weiß, je auffallender er den Miston oder das disproportionirliche dieser oder jener Handlungen und Charaktere angiebt, desto größer ist das Vergnügen aller derer die ihn hören. So wird das Drama, ein neuer Zeitvertreib, erfunden und immer mehr ausgebildet; ja sobald das Volk Geschmack an diesen Künsten findet, so kehrt natürlicherweise, derjenige der es weit dahin brachte, seinen Kindern die Grundsätze durch deren Anwendung er Beyfall erhielt, und durch deren Befolgung sie ihm nacheifern können. Dies ist also ein andrer Zweig der Erziehung, der bey den mehr gesitteten Völkern der Südländer statt findet. Ihre Tänze, ihre Musik, Dichtkunst und dramatische Vorstellungen haben jedoch noch keinen besondern Grad von Vollkommenheit erreicht; es sind nur noch die ersten rohen Anfänge dieser Künste, die aber eben darum weil sie noch roh und einfach sind, auch weit allgemeiner erlernt werden, als bey uns der Fall zu seyn pflegt. […] Die Kunst, aus dem Stegereif Verse zu machen und sie zugleich abzusingen, ist allgemein. Ihre dramatischen Vorstellungen sind gemeiniglich dergleichen auf der Stelle erdachte Compositionen, oder ein Gemisch von Gesängen, Tänzen und Musik. Unser Welttheil hat also seine Improvvisatori nicht allein. […]

 

[406] Die Taheitier pflegen, wie auch die Griechen ehemals thaten, ihre Verse stets singend zu recitiren. Diese kleinen Gedichte werden mehrentheils aus dem Stegereif gemacht; denn ihr Inhalt bezog sich öfters auf unsere Schiffe und Reisegefährten, und auf Begebenheiten, die sich während unseres Aufenthalts zugetragen hatten. Doch gab es auch Gesänge die mit unserm Besuch nichts gemein hatten. Die Verse haben ein förmliches Silbenmaaß, und beym Singen wird die Quantität ausgedruckt. Von den poetischen Schönheiten konnten wir nicht urtheilen, weil wir von ihrer Sprache zu wenig Kenntniß besaßen, gleichwol bemerkten wir so viel, daß in ihren Gedichten verschiedene Worte vorkommen, [407] die man sonst, im gemeinen Leben, nicht hörte. […]

 

[411] Wir haben keinen Einwohner jener Inseln an- [412] getroffen, der nicht sein Liedgen hätte singen können; und sogar die Frauenspersonen die unsern Matrosen ihre Liebkosungen feil boten, sangen bey jeder Veranlaßung, Verse ihrer eignen Erfindung, aus dem Stegereif.

Notes:

 
Collected by:
AE