“Bacchus in Thebe. Ein dithyrambischer Stegreifgesang.”

A poem translated from an Italian improvisation by the improvisatrice Fantastici, on the subject of Bacchus in Thebes at a celebration of Laius’s kingship.

Performer Name:
Fantastici
Performance Venue:
 
Performance Date:
 
Author:
 
Date Written:
1807
Language:
German
Publication Title:
Morgenblatt für gebildete Stände
Article Title:
Bacchus in Thebe. Ein dithyrambischer Stegreifgesang.
Page Numbers:
729-31
Additional Info:
1 August 1807 issue (No. 183)
Publisher:
J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Place of Publication:
Stuttgart
Date Published:
1807

Text:

[729] Bacchus in Thebe.

Ein dithyrambischer Stegreifgesang.

(nach dem Italiänischen der Sulgher Fantastici)

In Thebes Nähe kam Liäus,
Da drängten, frommen Eifers voll,
Zahllose Schaaren sich um ihn;
Vergessen ist des Pentheus Name,
Und Bacchus! Tönt es überall.
In tausend Stimmen tönt's zum Himmel:
Liäus, holder Gott und Jüngling!

     Es lebe der Vater der purpurnen Rebe!
     Des schäumenden Weines Erfinder!
     Der seligsten Freunden Verkünder!
     Der Sorgen-Verscheucher lebe!

Sehr ihr das stolze Schiff sich nahen?
Von Thyrsus schwer, und rings umgrünt
Von Epheu, der aus Einem Zweige
Zugleich mit glühend reifen Trauben
Vereinigt, üppig treibend sprosst,
An jenem Tag gekeimt, gereift,
Als Bacchus die Piraten strafte,
Die schlummernd ihn auf Naxos fanden,
Und sich des Frevels unterwanden,
den Gott gefesselt mitzuschleppen?
Schaut an die Schaaren von Delphinen,
Die plätschernd seinem Kiele folgen,
Das sind die frevelnden Piraten!
Jetzt steigt er an das Ufer,
Der liebliche Liäus.
Von seinen Lobgesängen
Erschallen rings die Berge!

     Verdunkeln deine Locken doch,
     Du Holder, Phöbus Strahlen,
     Auf deiner Stirne mahlen
     Sich die der Cynthia.

     Dein Auge, wie ihr Auge, blau,
     Und purpurroth die Wangen!
     Wie Liebesreiz, und süß Verlangen
     So schön vom Munde lacht!

Und als den Gott sie sahen,
Da riefen sie, den schönsten
Von allen Wagen bringet!
Und er besteigt den Wagen,
Vom Golde reich und Steinen;
Ein Wunderwerk der Hände
Des Dädalus. Drauf sieht man
Die schöne Göttermutter,
Den Donnerer im Himmel,
Das Haupt von dunkeln Wolken
Umhüllt, doch feurig leuchtend,
daß keines Menschen Auge
Es anzuschauen wagt.

Ihm windet eine Krone
Der segnende Autumnus,
Und Früchte reicht Pomone,
Und Blumen ihm Vertumnus.
Drauf sieht man Reben
Mit Trauben schweben,
Gefüllte Pokale,
Und Siegesmale,
Und wohl die würdigste Stelle fand
Noch andres Gebilde der künstlichen Hand.

     Stolz ziehen die fleckichten Tieger
     Schnaubend ihn durch die Schaaren.
[730] Rings tönt's: Es lebe der hohe Besieger
     Von Indien! Lebe hoch Bassareus,
     Bromius, Bimater, lebe Liäus!

Von allen Seiten strömen die Schaaren
Liebereizender Mädchen herbey,
Mit aufgeschürzten Röcken und Haaren,
Gegeben den spielenden Winden frey.
Hier naht der wilden Bacchantinnen Chor,
Hoch heben den vollen Pokal sie empor.
Kaum decket ein Schleyer die blendende Brust,
Die wilder sich hebt in schäumender Lust,
Vergessend der Liebe quälende Sorgen,
Die mit ihr sonst unter dem Flor sich verborgen.
Dort stürzen die Bergbewohner, vom Flügel
Der Freude getragen, herunter den Hügel,
Der eine die Stirne mit Reben umwunden,
Der andre mit Kränzen von Feigen gebunden:
Dort stolpert Silen, der graue Gauch,
Mit dem Esel über den ledernen Schlauch;
Er keucht, er schmunzelt; hinunter fleußt
Die lechzende Kehle der Traubengeist.

Schon nah'n sie sich dem Pfade,
Der zum Kithäron führt,
Worauf der prächtige Tempel
Von Parosmarmor waltet.
Im Kreise stehn die Säulen,
Schön ausgeschnitzt, und tragen
Mit festem Fuß die Bogen;
Und über ihnen wölbt
Sich wunderbar und kühn
Zusammen eine Kuppel.
Von Lotus und Jasminen,
Von Myrthen und von Rosen
Ist rings umzäunt der Pfad,
Worauf sich Bacchus Freudenheerzug naht.

     Aber, wer kommt denn schreyend,
     Und furchtbar den Feiernden dräuend?
     Ist nicht Pentheus, der wüthende, hier,
     Der mit unheiligem Schwören
     Bacchus Fest wagt zu stören?
     Rasende, was beginnet ihr?
     Ruft er, was sollen die Kränze?
     Was die orgischen Tänze?
     Wagt ihr´s für den neuen Götzen
     Das heilige Haus zu verletzen?
     Der alberne Säufer,
     Der Landdurchschweifer,
     Warum verließ er den Himmel,
     Zu durchziehen das Land mit Getümmel?

Wer schildert die Wuth,
Die Zornesglut,
Die furchtbaren Töne,
die knirschenden Zähne
Der rasenden Frauen,
Da sie den gottlos Schmähenden schauen?

Schon eilt mit wüthender Gebährde
     Die Mutter selbst, und greifet ihn,
Und wirft den Lästerer zur Erde,
     Und alle stürzen auf ihn hin.
Von heiligem Grimme getrieben,
Wie sollten sie Mitleid noch üben?

Entseelt durch tausend Streiche
     Sinkt er, doch endet´s nicht;
Denn selbst noch an der Leiche
     Übt man das Blutgericht.
Und Gliedern von Gliedern getrennt
Wird selber das Grab nicht gegönnt.

Die trägt das Haupt,
Einen Arm hat jene geraubt;
Die reißt ihm die Zung´ aus mit wilder Lust,
Die stößt ihm den Thyrsus tief in die Brust.
Wird keine Mitleid hier empfinden?
Mit Grausen blickt wohl Manche hin,
Zusammen sprechen alle, finden
Nur selten Worte, niemals Sinn.
Aber die Schwärmenden,
Rasenden, Lärmenden
Jagen mit Tönen der wildesten Freude
Ferne das Grausen, und trotzen dem Leide.

     Schüttelt den Thyrsus!
     Auf! An die Becher:
     Rühret die Trommel,
     Muntere Zecher!

Laut schmettert die Trommete,
Die Becher klingen,
Der trinkt, und, mit lallendem Singen,
Mit fröhlichem Winken
Beut er den Andern zu trinken.

Doch Bacchus selbst hält in der Hand,
Hochangefüllt bis an den Rand,
Die gildne, getriebene Schaale.
O schönstes der Bacchanale!
Es trinken vom Safte der Reben
Die lieblichen Knaben, die rings ihn umgeben;
Und krausgelockter Kinder Haufen,
Die nackt und flüchtig um ihn laufen.
In Zweige versteckt, mit Blumen behangen,
Tanzen die lieblichen Mädchen, mit Kränzen
Geflochten aus allen Geschenken des Lenzen.
Auf mächtigen Krugen zum Himmel schweben
Die Götter der Liebe zu schönerem Leben;
Selbst mit den Satyrn, als rüstige Zecher,
Leeren auch sie die schäumenden Becher.

     Evve!
     Hoch lebe
     Liäus der König!
     So tönt es von den Bergen
     Zu Bergen, von Thälern
     Zu Thälern, und rings
     Hallt's wieder vom Echo:
     Evve!
     Hoch lebe der König Liäus!

Noch raset das Fest,
Noch schallt der Gesang,
Da bläst zum Abzug Bacchus.
Mit einemmal
Verwandelt sich
In Schmerz die wilde Freude.
Reich und Arm,
Alt und Jung,
Ganz Thebe schaut
Ihn an, und seufzt;
Sie nahen sich flehend dem Gotte.

[731] Großer Bacchus,
     Mitleidsvoller Vater!
     Bleib' uns!
     Bleibe deinen Kindern!

Da öfnet sich Bacchus lieblicher Mund,
Und thut dem Volke die Worte kund:
Ich kehre zurück
Ins olympische Reich,
Aber mit Liebesblick
Schau' ich auf euch,
Und will von meinen Getreuen die Besten
Zuvor noch mit süsser Hoffnung trösten.
Drum bring' euch jegliches kommende Jahr
Geschenke des Bacchus im Ueberfluß dar,
Und wer zum Gebete sein Heiligthum wählt,
Er werde mit trunkener Wonne beseelt!

Notes:

Collected by:
EW