Johann Wolfgang von Goethe, Die Wahlverwandtschaften

Luciane, the over-energetic daughter of main characters Eduard and Charlotte, performs an “improvised” piece of theatre that, despite the former’s secret planning of the piece, turns out differently than expected thanks to the architect’s inability to match her expectations when she pulls him into the performance.

Performer Name:
 
Performance Venue:
 
Performance Date:
 
Author:
Goethe, Johann Wolfgang von
Date Written:
 
Language:
German
Publication Title:
Die Wahlverwandtschaften
Article Title:
 
Page Numbers:
1.8:414-416
Additional Info:
Qtd from Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche, section I, vol. 8, ed. Waltraud Wiethölter
Publisher:
Deutscher Klassiker Verlag
Place of Publication:
Frankfurt am Main
Date Published:
1994

Text:

[414] Eines Tages, als man sie bei der pause eines lebhaften Balls, auf ihren eigenen heimlichen Antrieb, gleichsam aus dem Stegreife, zu einer solchen Darstellung aufgefordert hatte; schien sie verlegen und überrascht und ließ sich wider ihre Gewohnheit lange bitten. Sie zeigte sich unentschlossen, ließ die Wahl, bat wie ein Improvisator um einen Gegenstand, bis endlich jener Klavier spielende Gehülfe, mit dem es abgeredet sein mochte, sich an den Flügel setzte, einen Trauermarsch zu spielen anfing und sie aufforderte, jene Artemisia zu geben, welche sie so vortrefflich einstudiert habe. Sie ließ sich erbitten, und nach einer kurzen Abwesenheit erschien sie, bei den zärtlich traurigen Tönen des Totenmarsches, in Gestalt der königlichen Witwe, mit gemessenem Schritt, einen Aschenkrug vor sich hertragend. Hinter ihr brachte man eine große schwarze Tafel und in einer goldenen Reißfeder ein wohl zugeschnitztes Stück Kreide.

Einer ihrer Verehrer und Adjutanten, dem sie etwas ins Ohr sagte, ging sogleich, den Architekten aufzufordern, zu [415] nötigen und gewissermaßen herbeizuschieben, daß er als Baumeister das Grab des Mausulos zeichnen und also keineswegs einen Statisten, sondern einen ernstlich Mitspielenden vorstellen sollte. Wie verlegen der Architekt auch äußerlich erschien — denn er machte in seiner ganz schwarzen knappen modernen Zivilgestalt einen wunderlichen Kontrast mit jenen Flören, Kreppen, Fransen, Schmelzen, Quasten und Kronen — so faßte er sich doch gleich innerlich, allein um so wunderlicher war es anzusehen. Mit dem größten Ernst stellte er sich vor die große Tafel, die von ein paar Pagen gehalten wurde, und zeichnete mit viel Bedacht und Genauigkeit ein Grabmal, das zwar eher einem longobardischen als einem carischen König wäre gemäß gewesen, aber doch in so schönen Verhältnissen, so ernst in seinen Teilen, so geistreich in seinen Zieraten, daß man es mit Vergnügen entstehen sah und als es fertig war bewunderte.

Er hatte sich in diesem ganzen Zeitraum fast nicht gegen die Königin gewendet, sondern seinem Geschäft alle Aufmerksamkeit gewidmet. Endlich als er sich vor ihr neigte und andeutete, daß er nun ihre Befehle vollzogen zu haben glaube, hielt sie ihm noch die Urne hin, und bezeichnete das Verlangen, diese oben auf dem Gipfel abgebildet zu sehen. Er tat es, obgleich ungern, weil sie zu dem Charakter seines übrigen Entwurfs nicht passen wollte. Was Lucianen betraf, so war sie endlich von ihrer Ungeduld erlöst: denn ihre Absicht war keineswegs, eine gewissenhafte Zeichnung von ihm zu haben. Hätte er mit wenigen Strichen nur hiskizziert, was etwa einem Monument ähnlich gesehen, und sich die übrige Zeit mit ihr abgegeben; so wäre das wohl dem Endzweck und ihren Wünschen gemäßer gewesen. Bei seinem Benehmen dagegen kam sie in die größte Verlegenheit: denn ob sie gleich in ihrem Schmerz, ihren Anordnungen und Andeutungen, ihrem Beifall über das nach und nach entstehende, ziemlich abzuwechseln suchte und sie ihn einigemal beinahe herumzerrte, um nur mit ihm in eine Art von Verhältnis zu kommen; so erwies er sich doch gar zu steif, dergestalt daß sie allzu oft ihre Zuflucht zur Urne nehmen, sie [416] an ihr Herz drücken und zum Himmel schauen mußte, ja zuletzt, weil sich doch dergleichen Situationen immer steigern, mehr einer Witwe von Ephesus als einer Königin von Carien ähnlich sah. Die Vorstellung zog sich daher in die Länge, der Klavierspieler, der sonst Geduld genug hatte, wußte nicht mehr in welchen Ton er ausweichen sollte. Er dankte Gott, als er die Urne auf der Pyramide stehn sah und fiel unwillkürlich, als die Königin ihren Dank ausdrücken wollte, in ein lustiges Thema; wodurch die Vorstellung zwar ihren Charakter verlor, die Gesellschaft jedoch völlig aufgeheitert wurde, die sich denn sogleich teilte, der Dame für ihren vortrefflichen Ausdruck, und dem Architekten für seine künstliche und zierliche Zeichnung eine freudige Bewunderung zu beweisen.

Notes:

 

Collected by:
AE